Humboldt-Universit?t zu Berlin

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Gru?wort anl??lich der Er?ffnung des Interdisziplin?ren Zentrums für sprachliche Bedeutung der Humboldt-Universit?t zu Berlin, 26.10.2006

?Sie verdrehen die Worte. Sie sprechen/ In R?tseln und prahlen/ Mit gesuchten Metaphern“. Natürlich, meine Herren Kollegen Pr?mel und Dietrich, verehrte, liebe Damen und Herren, auch das ist jener Durs Grünbein, den wir eben schon zur Er?ffnung des Zentrums geh?rt haben, ?In eigener Sache“ ist das Gedicht überschrieben. Wer es nicht wei?, nie wu?te, wissen wird oder im allt?glichen Einerlei von Sprache l?ngst vergessen hat, im Gew?sch der Beliebigkeit vertr?umt, mit seiner in Anglizismen und Stilbrüche zerbr?selnden Wissenschaftssprache verlernt hat – was Sprache ist, kann, sein k?nnte, mithin sprachliche Bedeutung zu erforschen, tut Not und frommt, wenn Sie mir diese etwas gesuchte Sprache gestatten. Noch einmal Durs Grünbein: ?Der Mensch spricht wie er lebt –/ Wei? ein griechisches Sprichwort“ und ?… Der Gedanke/ H?ngt wirr in der Luft“. Dazwischen lebt Sprache, jedenfalls an einer Universit?t.

Wer wie ich Sohn einer Generation von Germanisten ist, die noch pers?nlich von Hermann August Korff und Emil Staiger die Vorbehalte gegen die Linguistik eingeimpft bekommen hat, und wen es als Kirchenhistoriker an die Spitze der alma mater Berolinensis verschlagen hat, n?hert sich der sprachlichen Bedeutung, die unser neues Zentrum erforschen wird, wenn ich das so unumwunden sagen darf, mit Jürgen Trabants Auswahlb?ndchen Humboldtscher Akademiereden in der Hand: ??ber die Sprache“. Anders formuliert: Wenn ich vom Zentrum der Humboldt-Universit?t lese, da? Sie, meine Damen und Herren, sich der Situationsbezogenheit des Aufbaus und der Bedeutung von S?tzen widmen und widmen wollen, dann fühle ich mich an Wilhelm von Humboldts Reden vom ?feingewebten Organismus“ der Sprache erinnert, an seine Hinweise auf die Lebendigkeit der Sprache als Zeichen einer Individualit?t, die freilich im Kontext einer ganzen Kultur und ihrer Entwicklung steht (aaO., 11-15: Ueber das vergleichende Sprachstudium, 1820). Also halte ich als erstes fest, da? ein ?Zentrum für sprachliche Bedeutung“ an der Humboldt-Universit?t zu Berlin eine überaus zeitgem??e Adaption von Grundintentionen unseres Namenspatrons Wilhelm von Humboldt ist.

Aber rasch noch ein Zweites hinterher: Selbst einem Kirchenhistoriker im Pr?sidentenamt, in dessen antiken christlichen Quellen oft gerade einmal zwischen Wort und Sache unterschieden wird und die nominalistische Grundeinsicht, da? bestimmte Worte blo?e Bezeichnungen ohne unabh?ngige Existenz sind (Eunomius bei Cyrill, thes. PG 75, 325 A), tiefe trinit?tstheologische Kontroversen nach sich zieht, selbst einem so gepr?gten Kirchenhistoriker ist deutlich, da? die Forschungen im Zentrum für sprachliche Bedeutung wie die ganze Linguistik nicht beim vergleichenden Sprachstudium der Gebrüder Humboldt stehengeblieben sind. Wie hei?t es so sch?n auf Ihrer Homepage: ?Infolge einer verst?rkten Hinwendung der Logik und Mathematik zur Sprache und der Psychologie zu Ph?nomenen des Wissens und des Denkens und gebahnt durch Methoden der maschinellen Sprachverarbeitung sowie die gro?en Entdeckungen der Neurologie wird die Beutungsseite der Sprache seit rund zwanzig Jahren unter einander erg?nzenden Blickwinkeln geistes- und naturwissenschaftlicher Disziplinen analysiert und theoretisch erfa?t“. Nur schüchtern merke ich Laie auf allen diesen Feldern an, da? Sie da – also in der Kritik an der traditionellen Erforschung der Sprache in der Tradition Humboldts schon wieder bei einem Ideal von Wissenschaft in der Tradition der n?mlichen Brüder gelandet sind, der jedenfalls zeichenhaften Erneuerung des alten und von manchem klugen Wissenschaftstheoretiker verlachten Ideal der Einheit der Wissenschaft.

Auf der Homepage des interdisziplin?ren Zentrums für sprachliche Bedeutung fand ich – oder, wenn ich ehrlich sein soll, meine Referentin, denn ich habe diesen Satz heute morgen auf der Homepage nicht gefunden, aber dafür hat man ja Referentinnen – fand ich also folgenden sch?nen Satz: ?Wer die Bedeutung eines Satzes versteht, sollte die Umst?nde in der Welt angeben k?nnen, unter denen der Satz wahr ist“. Gestatten Sie dem linguistischen Laien im Pr?sidentenamt, zum Abschlu? seines Gru?wortes ein wenig zu tr?umen: Wenn es gut geht mit Ihrem Zentrum für sprachliche Bedeutung, dann wird die dort betriebene Forschung Brückenfunktionen zwischen den in ihrer pernizi?sen Spezialisierung isolierten Disziplinen haben. Wenn Sie über Bedingungen der Wahrheit von S?tzen nachdenken, schlagen Sie Brücken zu den Philosophen, wenn Sie über die individuellen Bedingungen der Produktion von Sprache nachdenken, zu den Neurologen und Psychologen, wenn Sie – herrlich altertümlich – ?Methoden der maschinellen Sprachverarbeitung“ benutzen, solche zu den Informatikern und so weiter und so fort. Und wenn trotz aller Bedeutung, die der Computer und die Simulation von Sprache durch den Computer in Ihrer Disziplin gewonnen haben, Theodor Fontane weiter recht h?tte mit seinem Satz, ?Das menschlichste, was wir haben, ist die Sprache“, dann w?re auch die Linguistik ein m?glicher Teilbereich jener integrativen Form Lebenswissenschaft, deren Bedeutung an dieser Universit?t ich mir zu steigern felsenfest vorgenommen habe.

Interdisziplinarit?t, Lebenswissenschaft, Exzellenz – Worte, die die einen in diesen Wochen st?ndig im Munde führen und die anderen schon nicht mehr h?ren k?nnen, abgenutzt, verbraucht, eben jene br?selnde Sprache des Wissenschaftsmanagements, Rhetorik derer, die hoffentlich allerlei von Administration, aber eher wenig von Wissenschaft verstehen. Oder, um noch einmal Durs Grünbein das Wort zu geben: ?Machen ist – das tyrannische Verbum,/Das Modewort unserer Zeit./ Der gr??te Unsinn macht Sinn“. Nun machen Sie etwas, meine Damen und Herren, wenn Sie ein Zentrum etablieren und dafür gebührt Ihnen die Anerkennung der ganzen Universit?t und nicht der leise Spott intellektuellen Zauderns, aber wenn Sie wie Durs Grünbein kritisch über die Bedeutung von Sprache nachdenken, unser allt?gliches Reden auf den Prüfstand stellen, dann stellen Sie zugleich auch sicher, da? in diesen heiligen Hallen nicht unkritisch irgend etwas gemacht wird, Sinn und Nutzen lediglich behauptet werden, sondern auf die Umst?nde geachtet wird, unter denen unsere wissenschaftlichen wie wissenschaftspolitischen S?tze wahr sind.

Der Theologe fragt sehr gro?fl?chig: ?Was ist Wahrheit?“; Sie fragen etwas bescheidener: ?Was sind die Umst?nde, unter denen gilt: Das ist Wahrheit?“; vermutlich ist es einfacher, die Form der Frage zu beantworten, die Ihre Disziplin stellt, essentiell für eine Universit?t sind freilich beide Formen, damit der Gedanke nicht wirr in der Luft h?ngt und das Geplapper überhand nimmt, die verdrehten Worte und die gesuchten Metaphern. Ich wünsche dem neuen Zentrum für sprachliche Bedeutung, und damit Ihnen allen, die daran mitwirken, viel Erfolg, spannende wissenschaftliche Ergebnisse und überhaupt gutes Gelingen.

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Zitate von Durs Grünbein aus dem Gedicht ?In eigener Sache“: ders., An Seneca. Postscriptum (Bibliothek der Lebenskunst), Frankfurt/Main 2004, 55.