Humboldt-Universit?t zu Berlin

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Fifth European Conference on Gender Equality in Higher Education

Gru?wort am 28. August 2007

Es ist mir ein Vergnügen, nun auch namens der Humboldt-Universit?t zu Berlin die an der Konferenz Teilnehmenden sehr herzlich in unserem Haus willkommen zu hei?en und Ihnen allen ebenso anregende wie unterhaltsame Tage zu wünschen. Vergnügen bereitet mir dieser Willkommensgru? nicht nur deswegen, weil ich gern gro?e internationale Tagungen an dieser Universit?t er?ffne – nein, bereits ein flüchtiger Blick in das Programm der Konferenz macht deutlich, da? hier zentrale Fragen der gegenw?rtigen Bildungs- und Forschungspolitik verhandelt werden, grunds?tzliche Probleme der Entwicklung von Universit?ten wie universit?ren Disziplinen. Ein erster Track Ihres Programms widmet sich der kritischen Diskussion des Konzepts der Exzellenz, nach dem gegenw?rtig nicht nur die deutsche Hochschullandschaft neu modelliert wird. Eine kritische Diskussion der Leitparadigmen tut selbstverst?ndlich not – vor einigen Monaten hat der Bamberger Soziologe Richard Münch unter dem Titel ?Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz“ eine ausführliche Kritik deutscher Bemühungen um Exzellenz vorgelegt; merkwürdigerweise spielt der ganz Komplex von Gender Equality in dem fast fünfhundertseitigen Buch keine Rolle. Das ist um so merkwürdiger, als ein sehr ausführlicher Abschnitt sich mit Kartell- und Machtstrukturen bei der Verteilung von F?rdergeldern besch?ftigt und Münch mit scharfen Worten Monopolstrukturen innerhalb der Wissenschaftsf?rderung kritisiert. Man mu? aber nun wirklich kein Experte für Gleichstellungsfragen sein, um zu wissen, da? es eben Monopol- und Kartellstrukturen sind, die für den besch?mend geringen Frauenanteil in der deutschen Wissenschaft verantwortlich sind. Wenn man sich erst einmal diesen blinden Fleck in der umfangreichen Monographie von Richard Münch vergegenw?rtigt hat, wird schnell deutlich, da? hier im Grunde lediglich eine mit viel Statistik und Tabellen garnierte klassische Wehklage des deutschen Geisteswissenschaftlers m?nnlichen Geschlechts vorliegt, wie wir sie seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in immer neuen Varianten erleben – die Kritik am Exzellenzwettbewerb dient zur seitenlangen Ausbreitung der üblichen geisteswissenschaftlichen Vorurteile gegenüber den Forschungs- und F?rderungsmethoden der Naturwissenschaften, der Verg?tzung von individueller Forschung auf Kosten der gemeinsamen Anstrengungen von Forschungsgruppen und so weiter und so fort. Was unter der Maske des soziologischen Vokabulars der sechziger und siebziger Jahre fortschrittlich daherkommt, ist in Wahrheit modernisierungsfeindlicher Konservativismus, der dem Machterhalt und den Partikularinteressen einer Gruppe mit schwindendem Einflu? dient. Angesichts solcher problematisch einseitiger Kritik an der Kategorie ?Exzellenz“ und den Methoden zu ihrer Durchsetzung wie F?rderung scheint mir der Ansatz, den diese Konferenz verfolgt, deutlich verhei?ungsvoller. Denn die umfassendere Frage, wie die Spannung zwischen den beiden Werten h?chster wissenschaftlicher Exzellenz und m?glichst umfassender Chancengleichheit pr?zise bestimmt und institutionell gestaltet werden kann, lohnt meines Erachtens ungeachtet aller vorliegenden Literatur weiter grunds?tzliches Nachdenken; die Frage nach der Gender Equality ist streng logisch betrachtet ja nur ein Unterfall dieser generellen Frage, wenn auch ein schlechterdings zentraler – und es spricht für die Güte des gegenw?rtig laufenden Exzellenzwettbewerbs in Deutschland, da? diese Dimension in der Bewertung der Antr?ge und der Entscheidungsfindung auch entsprechend zentral gewichtet wird. Der Wettbewerb ist also – wie ich jüngst in der Zeitschrift ?Gegenworte“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgeführt habe, deutlich gerechter, als seine Kritiker wahrhaben m?chten.

Dann besch?ftigt sich die Konferenz in einem zweiten Track mit den jeweiligen disziplin?ren Befunden zum Thema. Meine amerikanische Kollegin Elizabeth Clark, die an der Duke University t?tig ist, hat einmal den Gang der Besch?ftigung in meiner eigenen Fachdisziplin, der Geschichte des antiken Christentums, in drei Schritte geteilt: Am Beginn standen die Studien einzelner feministischer Theologinnen, die dann als Frauenforschung allm?hlich subdisziplin?ren Charakter annahmen und institutionalisiert wurden. Schlie?lich entwickelte sich die Berücksichtung von Genderfragen zu einer integrativen Forschungsperspektive des gesamten Faches, die gleichberechtigt neben klassischen ideengeschichtlichen, politik- und sozialhistorischen Zug?ngen steht und selbstverst?ndlich berücksichtigt wird. Wie es in manchen amerikanischen Zusammenh?ngen Brauch ist, beschreibt Liz Clark nur die amerikanische Situation; ohne viel Worte ist deutlich, da? hier nicht die Situation in Deutschland charakterisiert wurde. Vermutlich haben wir in vielen Einrichtungen noch nicht einmal die zweite Phase dieser dreiteiligen Entwicklung erreicht – und mir scheint, wenn ich das wieder sehr abgekürzt formulieren darf, da? dieser Befund nicht nur für die Wissenschaft vom antiken Christentum gilt. Versp?tung allerorten. Warum sind viele deutsche Wissenschaftskulturen aber so versp?tet, nicht nur im Blick auf die selbstverst?ndliche Integration von Genderfragen in die jeweilige disziplin?re Forschungsperspektive? Sie ahnen, da? diese Frage den Pr?sidenten einer Universit?t, die einst in sehr vielen Disziplinen die Modernit?tsstandards setzte und nicht mit zwanzigj?hriger Versp?tung hinter anderen Wissenschaftskulturen hinterherhetzte, im Vorfeld seines zweihundertj?hrigen Jubil?ums mit gewisser Neugier wie Sorge umtreibt.

Es entspr?che nicht dem Genre eines Gru?wortes, wenn ich in ?hnlicher Weise nun auch die beiden anderen Tracks des Programms dieser Konferenz kommentieren würde, obwohl vor allem die Sektion zum Bologna-Proze? einen Universit?tspr?sidenten natürlich besonders zu Bemerkungen herausfordert. Die in Deutschland allzu hastig durchgeführte Einführung der neuen Studieng?nge, die zudem um überkorrekte Umsetzung der Vorschriften bemüht war und – wie im deutschen Bildungssystem üblich – mit den quasi messianischen Heilserwartungen einer anstehenden paradiesischen Zukunft garniert wurde, hat ja nicht nur Fragen der Gleichstellung oftmals vollkommen übersehen, sondern allgemein im Blick auf die Zumutbarkeit der neuen Ordnungen und ihre Studierbarkeit allzusehr geschludert, natürlich nicht überall, aber doch an vielen Stellen. Und das gilt auch dann, wenn jetzt mancherlei Wehleidigkeit zu beobachten ist – jüngst wurde in einer Berliner Zeitung ausführlich der Fall eines Studierenden im vierzehnten Semester ausgebreitet, der seine Zeit zun?chst in den Gremien der Universit?t verbrachte, dann unter Schreibblockade litt und dem nun viele Scheine für sein Examen fehlen. Solche Biographien sprechen nicht gegen den Bologna-Proze? und seine zügige Umsetzung, sondern sind gerade eines der zentralen Argumente für den Proze?. Zu den anstehenden Reformen der deutschen Universit?t geh?rt, da? wir durch strenge Auswahlverfahren zu Beginn des Studiums und durch ein Netz von Prüfungen und Beratungen w?hrend des Studiums sicherstellen müssen, da? nur die zum Studium zugelassen werden, die dafür wirklich geeignet sind – aber die, die geeignet sind, dann auch in angemessener Zeit ihr Examen bestehen. Und wir müssen selbstverst?ndlich darauf achten, da? wir das Kriterium der Eignung nicht ausschlie?lich von uns selbst her definieren, sondern eine der globalisierten Welt angemessene Pluralit?t in unsere Leitvorstellungen integrieren. Wenn Sie dem Theologen diese abschlie?ende Bemerkung gestatten: Der Wahn des deutschen Akademikers, er sei mit seiner akademischen Lehre dazu berufen, Menschen nach seinem Bilde zu schaffen – den berühmten ?Schüler“ des ebenso berühmten ?akademischen Lehrers“ –, beruht auf einer ungesunden Verwechslung von g?ttlichem und menschlichem Handeln, einem der hochproblematischen Elemente der neuzeitlichen S?kularisierung. Und ein zentraler Teil jener impliziten ideologischen Rechtfertigung derjenigen Macht- und Einflu?kartelle, über die ich vorhin gesprochen habe.

Sie konnten aus meinen raisonnents zu dem Programm der Konferenz erkennen, mit welchem Interesse die Humboldt-Universit?t zu Berlin verfolgt, was auf Ihrem Kongre? behandelt wird. In dem Ma?e, in dem Sie pr?zise analysieren, in dem Sie praktisch werden und neue Vorschl?ge für konkrete institutionelle Verfahren liefern, leisten Sie einen konkreten Beitrag zur anstehenden Universit?tsreform in vielen europ?ischen L?ndern, die über die vielen wohlfeilen Sonntagsreden deutlich hinausführt.

Ich freue mich sehr, dass?Dr. Marianne Kriszio, die langj?hrige Frauenbeauftragte der Humboldt-Universit?t, die au?erdem seit 10 Jahren?im Vorstand der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten aktiv ist, es erm?glicht hat, diese wichtige Konferenz in diesem Jahr an unsere Universit?t zu holen, und?Ihnen – mit tatkr?ftiger Unterstützung von vielen Kolleginnen innerhalb und au?erhalb der Humboldt-Universit?t – das eindrucksvolle Programm zu bieten, das Sie hier vorfinden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen spannende und ertragreiche Tage an unserer Universit?t.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t