Humboldt-Universit?t zu Berlin

Bericht des Pr?sidenten

erstattet vor dem Konzil der Humboldt-Universit?t zu Berlin am 17.10.2006 von Christoph Markschies

Mit dem Vorsitzenden des Konzils ist, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder des Konzils, verabredet worden, nach noch nicht einmal einem Jahr Amtszeit des neuen Pr?sidiums den nach § 8 der revidierten Verfassung vorgesehenen ausführlichen j?hrlichen Rechenschaftsbericht des Pr?sidiums auch erst im Januar 2007 vorzulegen. Ich nutze den Tagesordnungspunkt ?Bericht des Pr?sidiums“ dazu, einige grunds?tzliche Bemerkungen zur Arbeit des Pr?sidiums in den vergangenen neun Monaten vorzutragen, beziehe mich dabei immer wieder auch auf meine Vorstellung vor dem Konzil vor einem knappen Jahr am 25. Oktober 2005 und habe mit dem Vorsitzenden verabredet, da? diese Ausführungen in etwa eine halbe Stunde dauern werden. Ich gliedere sie so, da? ich nach einer grunds?tzlichen Vorbemerkung bei den Ereignissen des letzten Freitags, des 13. Oktober 2006 einsetze, und mich dann chronologisch nach hinten bewege. Dies ist – wiewohl vom Pr?sidenten vorgetragen – ein Bericht des Pr?sidiums, insofern ausführliche Berichte der Kollegen im Vizepr?sidentenamt in ihn eingegangen sind.

1. Grunds?tzliche Vorbemerkung
Wenn ich heute, also nach einem knappen Jahr, meine Vorstellungsrede vor dem Konzil lese, dann f?llt mir auf, wie stark dieser Text durch zwei Leitlinien gepr?gt ist. Zum einen l??t er keinen Zweifel daran, da? das einzige Kriterium, nach dem eine Universit?t geleitet, gestaltet und fortentwickelt werden kann, das Kriterium wissenschaftlicher Exzellenz ist. Vor einem Jahr habe ich gesagt, da? dieses Kriterium an einer Reihe von Stellen geltend gemacht werden mu?. Ich nannte ?Berufungsverfahren, die institutionelle wie finanzielle Schaffung von Bedingungen für exzellente Forschung wie Lehre, die F?rderung des Nachwuchses auf allen Ebenen (beispielsweise durch eine Humboldt Research School) und St?rkung der Autonomie der 三亿体育·(中国)官方网站 gegenüber dem Senat samt der Sicherung ihrer finanziellen Basis“. Und tats?chlich habe ich schon im Januar durch die Bitte, mir zu Berufungslisten die jeweils beste Publikation vorzulegen und dann unser ganzes Pr?sidium durch den jüngst verabschiedeten Berufungsleitfaden die Bedeutung dieses Kriteriums in den Berufungsverfahren nachhaltig zu steigern versucht. Gemeinsam mit Herrn Kollegen Eveslage und seinen Ressorts wurden – zum Teil unter Verantwortung des gesch?ftsführenden Pr?sidenten Pr?mel – 45 Berufungsverfahren und 3 Bleibeverhandlungen geführt, erfolgreich waren 38 Verfahren und eine Bleibeverhandlung; angesichts der Tatsache, da? uns ein regelrechter Pool von Mitarbeiter- und Professorenstellen für Berufungen fehlt und der bekannten Berliner Finanzprobleme ein eindrückliches Ergebnis. Die Humboldt Graduate School hat der Akademische Senat, wie von den Gutachtern der gemeinsamen Kommission aus Wissenschaftsrat und deutscher Forschungsgemeinschaft im Januar empfohlen, am 11. Juli 2006 eingerichtet; an ihrer n?heren inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung wird vor allem beim Vizepr?sidenten für Forschung gearbeitet, denn die Graduate School wird zeitgleich mit der am Freitag bewilligten Graduiertenschule ?Mind and Brain“ ihre Arbeit in unmittelbarer Zukunft aufnehmen. Einen gewichtigen Schritt zu mehr Autonomie in den Berufungsfragen erwarte ich mir nach Abschlu? der gegenw?rtigen Koalitionsverhandlungen, ob dann auch die finanzielle Basis der 三亿体育·(中国)官方网站 sicherer dasteht, wird sich beispielsweise im Ergebnis des Verfassungsgerichtsurteils noch in dieser Woche deutlicher zeigen. Ich wiederhole aber aus aktuellem Anla? auch, was ich gestern in meiner Rede zur Er?ffnung des Studienjahres 2005/2006 und zur feierlichen Immatrikulation der Studierenden gesagt habe: Es ist ein reines Gerücht, da? der gegenw?rtige Aufbruch zur Exzellenz in der Forschung keine Folgen für die Lehre hat oder gar, wie manche sagen, die Qualit?t der Lehre verschlechtern wird. Das glatte Gegenteil ist der Fall: Wenn wir uns alle um Exzellenz unserer Wissenschaft bemühen, wird auch die Lehre besser, unbeschadet der Notwendigkeit, auch diese durch spezielle Programme und neue Besch?ftigungsformen zu verbessern – aber erst mu? exzellent geforscht werden, bevor dieses Erforschte exzellent gelehrt werden kann; schlie?lich wollen wir ja keine exzellente Lehre von Halbgebackenem oder Zweitaufgüssen, das w?re ja auch keine exzellente Lehre. Ich kann daher nur sehr nachdrücklich davor warnen, den Exzellenzwettbewerb und insbesondere unsere eigenen Beteiligungen als Gefahr für die Lehre zu stilisieren – im Gegenteil, er ist eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Lehre, wenn auch nicht der einzige oder gar der letzte Schritt.

Die zweite Leitlinie, die meine Vorstellung vor dem Konzil pr?gte, hat ihre vorerst definitive Gestalt in jenem Antrag gefunden, den unsere Universit?t im Rahmen der dritten S?ule des Exzellenzwettbewerbes Mitte September 2006 unter dem Titel ?Translating Humboldt into the 21st Century“ abgegeben hat. Vor einem knappen Jahr habe ich noch sehr allgemein von einer Universit?tsreform in der Tradition unserer Gründung gesprochen und mich ausschlie?lich auf das Leitbild unserer Universit?t bezogen – im Text, den wir den Gutachtern der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates vorlegen, ist sehr pr?zise beschrieben, an welche Prinzipien der Gründung von 1810 wie angeknüpft wird. Diese Pr?zisierung verdankt sich einer ausführlichen Lektüre und Exegese einschl?giger Texte des neunzehnten Jahrhunderts, über die ich in meiner Inaugurationsrede im Februar und in einem bislang noch unver?ffentlichten Vortrag beim Treffen mit den Universit?tsleitungen aus Wien und Zürich Auskunft gegeben habe – ich füge an dieser Stelle nur knapp an, da? derjenige, der über solche Selbstvergewisserungen in der Geschichte einer Universit?t meint anonym in Zeitungen h?hnen zu müssen, sich wird fragen lassen müssen, ob er die atemlosen, traditionsvergessenen Reformen nach dem Motto ?H?her, Schneller, Weiter“, die Konzepte wie das der berühmten entfesselten 三亿体育·(中国)官方网站 pr?gen, für sonderlich besser oder wünschenswerter h?lt. Wie wir Humboldt ins einundzwanzigste Jahrhundert übersetzen (mithin, welche Grundlinien unseren neuen Dritte-S?ule-Antrag pr?gen), ist in meinem Einleitungsartikel zur Beilage unserer Universit?t ausgeführt, die dem Tagesspiegel am 14. Oktober beilag; Frau Bundesministerin Schavan hat die Punkte in ihrer gestrigen Rede ja auch genannt und sich mehrfach positiv darauf bezogen.

Ich wiederhole sie daher heute nur sehr verknappt. Eine Universit?t, die die Grundprinzipien der Berliner Universit?tsgründung für das einundzwanzigste Jahrhundert übersetzen und dabei aus den Erfahrungen ihrer ambivalenten Geschichte lernen will, mu? sich um die zeitgem??e Interpretation von fünf grunds?tzlichen Charakteristika exzellenter Wissenschaft kümmern: Sie mu? erstens die enge Verbindung von Forschung und Lehre bewahren, also sicherstellen, da? auch schon die Bachelor-Studierenden keine abgestandenen Konserven, sondern Forschung auf aktuellem Stand vermittelt bekommen. Unter diesem Gesichtspunkt haben die beiden Vizepr?sidenten Tenorth und Baer bei der Gestaltung einschl?giger Ordnungen einer Abwertung des Bachelor-Studiums zu wehren versucht und Herr Kollege Nagel, der dies wichtige Amt dankenswerterweise gesch?ftsführend übernommen hat, wird diese Richtung fortsetzen. Umgekehrt sollte es wieder selbstverst?ndlicher werden, die Akzente der eigenen Forschung auch an der Lehre auszurichten, schon deswegen, damit niemand der Konzentration auf wissenschaftliche Exzellenz eine Besch?digung der Lehre vorwerfen kann. Bei der Einführung von Professuren, die als Lehr- oder Forschungsprofessuren besondere Schwerpunkte setzen und unentbehrlich sind, um die gro?en Mengen von Studierenden der Zukunft aufzunehmen, mu? entsprechend darauf geachtet werden, da? keine reinen Lehrknechte oder v?llig isolierte Gelehrte im heimischen Arbeitszimmer eingeführt werden. Zweitens darf eine Universit?t in der Tradition der Berliner Universit?tsgründung nicht in für sich selbst existierende Gro?bereiche – wie beispielsweise Natur- und Geisteswissenschaften – auseinanderrei?en; dies würde in unserem Falle zudem die Zementierung der geographischen Trennung von Adlershof und Mitte bedeuten, die niemand wünschen kann und damit wahrscheinlich letztlich den Stillstand der Entwicklung in Adlershof und in Mitte. Der Vizepr?sident für Forschung, Herr Pr?mel, hat sich aber im Gegenteil in den vergangenen neun Monaten besonders um die Standortentwicklung in Adlershof verdient gemacht: So wurde ein neuer Kooperationsvertrag zur Mitnutzung des Erwin-Schr?dinger-Zentrums durch die IGAFA (die Interessengemeinschaft der au?eruniversit?ren Einrichtungen dort) und die WISTA (die Standortmanagementgesellschaft) unterzeichnet, eine Kooperation mit dem Elektronenspeicherring Bessy zur Bereitstellung von Arbeitspl?tzen mit Strahlzeit etabliert und zwei Kolloquien gemeinsam mit der IGAFA veranstaltet. Das gro?e alte Ideal der Einheit der Wissenschaft l??t sich gewi? nicht so repristinieren, wie es die gro?en Berliner Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts entwickelt haben, aber wenn Philosophen von Neurologen lernen, was diese über Gehirn und Verstand zu sagen haben und auf der anderen Seite Neurologen von Philosophen lernen, da? sich unter den Stichw?rtern ?freier Wille“ nicht nur ein Reiz-Reaktionsschema, sondern ein handfestes Definitionsproblem verbirgt, dann ist in einer solchen integrativen Lebenswissenschaft zeichenhaft wieder ein Stück Einheit der Wissenschaft realisiert und hat im interdisziplin?ren Dialog Gestalt gewonnen. Sie ahnen daher, wie sehr mich die Nachricht gefreut hat, da? die Graduiertenschule ?Mind and Brain“ gef?rdert wird. Drittens wird eine Universit?t in der Tradition der Gebrüder Humboldt so, wie diese st?ndestaatliche Hierarchien abbauten, energische Schritte beim Abbau überholter Hierarchien unserer Tage tun und beispielsweise die Benachteiligung von Frauen und die Zurückstufung des Nachwuchses so rasch als m?glich zu beenden versuchen – entsprechende Programme wie die Harnack-Professuren wurde früh an der Humboldt-Universit?t etabliert und sollen, wenn unser Dritte-S?ule-Antrag ab n?chstem Oktober gef?rdert werden wird, mit noch gr??erer finanzieller Unterstützung wirksam werden. Viertens mu? eine Universit?t, die sich vom Geist Alexander von Humboldts pr?gen l??t und ihn nicht nur als Steinbild vor ihren Toren zu stehen hat, sich noch intensiver um die Internationalisierung bemühen: Wenn an der so traditionsreichen Universit?t Oxford die englische Literatur durch einen Kollegen aus Italien vertreten wird, ist gar nicht einzusehen, warum in Berlin die Kandidatinnen und Kandidaten der Professuren für englische Literatur nur aus dem deutschen Sprachraum kommen sollen; diesem Zweck dienen unter anderem die Perspektivgespr?che beim Pr?sidenten vor der Ausschreibung von Professuren, die im neuen Berufungsleitfaden festgehalten sind. Fünftens beeindruckt bis heute, wie die Gründer der Berliner Universit?t in einer existentiell bedrohlichen Staatskrise Preu?ens Verantwortung für das Gemeinwesen übernommen haben. Wenn man dieses Grundprinzip für die Gegenwart übersetzen will, müssen die 三亿体育·(中国)官方网站e der Universit?t zu den staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, die sich in ihrer unmittelbaren r?umlichen Umgebung befinden, dringend intensiviert werden; insofern unterstütze ich einschl?gige Initiativen unser Juristen, Politikwissenschaftler und Soziologen sehr nachhaltig. Was steht auf der Tagesordnung des Bundestages im n?chsten halben Jahr? Was sollte darauf stehen? Eine Universit?t forscht auch dafür, da? am Reichstagsufer solide Politik getrieben wird und nicht gestümpert wird. In diesen Zusammenhang geh?ren auch die Initiativen, die universit?re Forschung st?rker für die ?ffentlichkeit inszenieren. Ich habe mich bemüht, die – freundlich gesprochen – noch etwas lose Konzeption für das Humboldt-Forum auf dem Schlo?platz gemeinsam mit Klaus-Dieter Lehmann voranzutreiben und dabei auf einer vom scheidenden Senatsbaudirektor Stimmann inaugurierten Konferenz wohl den Durchbruch erzielt, der die unterschiedlichen Interessengruppen nun an einen Tisch bringt; ebenso wichtig ist in dieser Hinsicht das Naturkundemuseum, das ich daher im Unterschied zu anderen zun?chst einmal für einen integralen Bestandteil unserer Universit?t halte – wie auch die anderen universit?ren Sammlungen.

Eine letzte grunds?tzliche Bemerkung. Vor einem Jahr habe ich in meiner Vorstellungsrede gesagt, da? ich mich immer wieder auch ?auf die zw?lf Punkte des letzten Pr?sidiums vom Dezember des Jahres 2000 beziehen“ wolle, ?um von vornherein deutlich zu machen, da? meine Vorstellungen an vielen Stellen in Kontinuit?t zur bisherigen Arbeit stehen, und die engagierte Zusammenarbeit eines Teams mit den Vizepr?sidenten … voraussetzen“. In den vergangenen Monaten ist mir freilich zweierlei deutlich geworden, was ich vor einem Jahr so noch nicht gesehen habe. Zum einen habe ich im Oktober 2005 noch nicht geahnt, wie notwendig und dringend die in der Vorstellungsrede schon eingeforderte pr?zise Bestimmung der wissenschaftlichen Schwerpunkte der Universit?t ist; w?hrend der vergangenen Jahre ist es – schon allein wegen der Dramatik der Kürzungs- und Spardebatten – weitgehend nicht gelungen, hier die erforderliche Arbeit zu leisten. Im Dritte-S?ule-Antrag finden sich nun sechs wissenschaftliche Schwerpunkte der Universit?t, die insofern gemeinsam erarbeitet worden sind, als die beiden Beir?te sie gemeinsam mit den Antragstellern auf Graduiertenschulen und Exzellenzcluster diskutiert und formuliert haben: die integrativ gedachten Lebenswissenschaften, die Mathematik als Schlüsseltechnologie, die lichtbasierte Materialforschung, die Erforschung der Antike und ihrer Transformation, die Risiko- und die Europa-Forschung. Ich will aber nicht verhehlen, da? für alle diese Schwerpunkte in den n?chsten Monaten bis zur Abgabe des Langantrags noch viel wissenschaftliches Nachdenken gefordert ist, vielleicht am wenigsten für den Bereich der Mathematik, der mit der F?rderung der Berlin Mathematical School im Exzellenzwettbewerb erneut ausgezeichnet wurde. Zum zweiten ist mir im Laufe der letzten Monate deutlich geworden, da? für die Formung eines Teams ein gewisser Grundkonsens über den Weg der Humboldt-Universit?t erforderlich ist; die coincidentia oppositorum kann nicht als Permanenzform erfolgreicher Zusammenarbeit institutionalisiert werden. Ich habe schon an anderer Stelle ausgeführt, da? die M?glichkeit, Studierende durch Eingangsprüfungen auszuw?hlen, auch nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit des Senates (und nicht nur der Studierenden, Assistierenden und Lehrenden des Chemischen Institutes) ein zentraler Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Qualit?t von Lehre und Forschung ist. Es berührt schon einigerma?en merkwürdig, wenn bestimmte Wissenschaftler diesem Verfahren reinen Subjektivismus unterstellen und damit beispielsweise die gesamte Auswahlpraxis der Begabtenf?rderungswerke seit über hundert Jahren zu desavouieren versuchen, zugleich auch die Arbeit des ehemaligen Instituts für Test- und Begabungsforschung; umgekehrt ist tr?stlich, wie positiv der gestern symbolisch immatrikulierte Chemie-Student diese seine Eingangsprüfung gespr?chsweise einsch?tzte. An dieser Stelle mu? ein Pr?sidium sich einig sein und bin ich mir im Vorfeld der Senatsentscheidung des Sommersemesters mit den Kollegen Eveslage und Pr?mel einig gewesen. Au?erdem mu? innerhalb eines Pr?sidiums über die Frage des Studienzugangs hinaus Einigkeit darüber bestehen, nach welchen Grundprinzipien die Universit?t geleitet wird – besteht eine solche Einigkeit nicht, sind Rücktritte eine eher natürliche Konsequenz und verdienen unseren hohen Respekt und nicht das ?ffentliche R?sonieren über Führungskrisen. Als ich vor drei Wochen in Bonn anl??lich einer Er?ffnung einer Ausstellung zum sogenannten ?Generalplan Ost“ auf Einladung der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen Vortrag gehalten habe, hat Pr?sident Winnacker in seiner Einleitung zu diesem Vortrag zum Ausdruck gebracht, da? er unsere Universit?t nicht in einer Führungskrise sieht, sondern eine sinnvolle und notwendige Konzentration auf den Kurs wissenschaftlicher Exzellenz beobachtet – und ich jedenfalls werde Herrn Pr?sidenten Winnacker an dieser Stelle nicht widersprechen. – Mit der Nennung des Namens Winnacker ist eine quasi natürliche Brücke zu den Ereignissen des vergangenen Freitags geschlagen.

2. Der Exzellenzwettbewerb
Wie ich die Entscheidung vom vergangenen Freitag einsch?tze, habe ich teilweise schon gesagt, teilweise ?ffentlich kommentiert. Ich unterscheide mich, dies kann hier ehrlich zugegeben werden, sowohl von der Einsch?tzung durch die Kollegen im Pr?sidentenamt als auch von der des Senators, aber stimme – wie gestern zu erkennen war – mit der Bundesministerin, einigen Landesministern und den Spitzen unserer Forschungsorganisationen überein: Es hat sich am Freitag gezeigt, da? es sich um einen fairen, nicht politisch gesteuerten Wettbewerb handelt, in dem einzig das Kriterium der Konsistenz vorgelegter Programme und der Exzellenz z?hlte – und dies ist schon insofern eine beruhigende Nachricht, als wir in den n?chsten Monaten also auf das gewiesen sind, was wir k?nnen: konsistente wissenschaftliche Arbeit, politische Lobbyarbeit hilft wenig und die in Zeitungen apostrophierten DFG-Netzwerke existieren tats?chlich, sind aber Netzwerke zur F?rderung wissenschaftlicher Exzellenz, von denen gute Berliner Antr?ge nur Gutes zu erwarten haben. Für Gutachterschelte oder gar eine grunds?tzliche Kritik des Wettbewerbs besteht gar kein Anla?; so agieren im übrigen auch immer nur die schlechten Verlierer.

Wir agieren so nicht. Zum einen freuen wir uns über die Bewilligung der Graduiertenschule Mind and Brain, in der unter anderem Philosophen und Neurologen kooperieren, weil auf diese Weise das – warum sollte man es nicht sagen – wissenschaftlich innovative, aber risikoreiche Konzept einer integrativen Lebenswissenschaft Anerkennung einer hochm?genden Gutachterschar gefunden hat; da es unseren Dritte-S?ule-Antrag pr?gt und ein zentraler Bestandteil meiner wissenschaftlichen Vision unserer Universit?t ist, ist diese Entscheidung von gro?er Bedeutung. Ebenso freuen wir uns über die Bewilligung der gemeinsam mit der TU und der FU getragenen Graduiertenschule Berlin Mathematical School und der dadurch erneuten F?rderung der Mathematik in ihrer Konzentration auf Schlüsseltechnologien. Zum anderen sind wir natürlich bekümmert darüber, da? wir und ganz Berlin kein Cluster durchbekommen haben. Ich habe in den Zeitungen drei Gründe vorgetragen und sie bewu?t so geordnet, wie ich sie nun auch wieder vortrage. Da in dem Wettbewerb die Konsistenz ausschlaggebend war, müssen wir für die Antr?ge der zweiten Runde noch mehr nachdenken und auf Konsistenz achten; beispielsweise dadurch, da? wir Begutachtungsrunden simulieren. Au?erdem müssen wir besser zwischen den Universit?ten kooperieren. Das harte Ringen um Zusammenarbeit hat das Cluster Materials in New Light geschw?cht; umso erfreulicher ist die Zusammenarbeit mit Herrn Kollegen Hempfer beim Vorantrag zum Exzellenzcluster ?Topoi. Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“ gewesen, den beide Universit?ten gemeinsam verantworten; noch erfreulicher w?re, wenn diese Zusammenarbeit sich als Auftakt besserer Zeiten herausstellen würde. Erst als dritten Grund nenne ich, da? wir durch die dramatischen Kürzungen der letzten Jahre vielfach nicht jene kritische Masse von Professorinnen und Professoren und attraktiven Berufungen haben, die uns mit München oder Karlsruhe vergleichbar machen würde. Herr Kollege Pr?mel hat den ganzen Wettbewerb in der ersten und zweiten S?ule betreut und unter seiner Federführung sind am 15. September 2006 elf Antragsskizzen, darunter vier Cluster und sieben Graduiertenschulen, eingereicht worden. In den n?chsten Wochen werden wir einerseits prüfen, wie wir den unver?ndert wichtigen Schwerpunkt der lichtbasierten Materialwissenschaft unter strikter Beachtung der Gutachtervoten weiter f?rdern k?nnen und andererseits alle Kraft auf die Sicherung der Konsistenz der Langantr?ge für Graduiertenschulen und Cluster setzen.

Seit dem letzten Freitag, in dem ich keinen schwarzen Freitag sehen kann, sind die Chancen für den Dritte-S?ule-Antrag deutlich besser geworden – alle drei Berliner Universit?ten sind wieder auf denselben Stand zurückgeworfen worden und daran ?ndert auch die h?chst peinliche auszugsweise Ver?ffentlichung von Gutachten in Tageszeitungen nichts, weil fein und dezent verschwiegen wird, wie viele deutsche Universit?ten überhaupt zum Zuge gekommen w?ren und wer sich hinter den drei Siegeruniversit?ten platziert hat. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, der Münchener Medi?vist Peter Strohschneider, hat gestern in Berlin gesagt, der Wettbewerb würde nun h?rter, da in der zweiten Runde starke Konkurrenten wie die Humboldt-Universit?t antreten würden. Eine solche Ermunterung aus berufenem Munde sollte uns alle anspornen, den vor einem Monat abgegebenen Kurzantrag ?Translating Humboldt into the 21st Century“ gemeinsam zu einem Langantrag auszuarbeiten und alles daran zu setzen, da? wir noch ein, besser zwei Cluster gef?rdert bekommen, um wenigstens ansatzweise mit den nun ausgezeichneten Universit?ten gleichzuziehen. Denn es ist keineswegs sicher, da? insgesamt mehr als sieben Universit?ten den Status einer Elite-Universit?t erhalten werden. Das Konzept unseres Vorantrages wird auf zwei Sondersitzungen des Senates, in der Versammlung der Dekane, mit den Ressorts der Verwaltung und vielen anderen diskutiert werden, um m?glichst viel Expertise für die Ausarbeitung zu gewinnen. Eine breite Diskussion an der Universit?t setzt Vertraulichkeit voraus; wenn kontroverse Diskussionen am Tag drauf in einer gro?en Tageszeitung nachzulesen sind und das Bild einer tief gespaltenen Universit?t erzeugen, würde sich unsere Humboldt-Universit?t ein Bein stellen. Zu den Geheimnissen des Erfolges der Schwesteruniversit?t in Dahlem geh?rt, da? ihr die Gutachter – wie man jetzt nachlesen konnte – einen beeindruckenden Teamgeist bescheinigen, obwohl am Freitag der ASTA der Universit?t zum Scheitern im Wettbewerb gratulierte und es w?hrend der Begehung zu Tumulten an einzelnen Instituten gekommen ist. Ich habe unsere Studierendenvertretung in den vergangenen Monaten immer konstruktiv erlebt und würde die Angeh?rigen unserer Universit?t, die sich so gern anonym in den Medien ?u?ern, herzlich und dringend bitten, statt dessen lieber zu einem wirklich beeindrucken Teamgeist beizutragen – notfalls einfach durch Schweigen. Oder durch Mitarbeit. Ich habe gestern darauf hingewiesen, da? die beiden jüngst publizierten F?rderrankings der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Centrums für 三亿体育·(中国)官方网站ntwicklung uns bescheinigen, da? wir ziemlich bald nach den am Freitag gekürten 三亿体育·(中国)官方网站n kommen, n?mlich auf Platz fünf der Liste – entsprechend hat Herr Kollege Pr?mel unsere Universit?t bei vier Begutachtungen von Sonderforschungsbereichen, davon bei drei Neuantr?gen repr?sentiert, das Verfahren für drei erfolgreiche Graduiertenkollegs begleitet, drei Lichtenberg-Professuren einwerben geholfen und eine Ordnung für den Tenure Track der Juniorprofessuren auf den Weg gebracht. Seit Freitag ist also zu Resignation kein Anla?, im Gegenteil, eher zu Hoffnung und ich wiederhole den Satz, mit dem ich den Brief an die Angeh?rigen der Universit?t zum neuen Semester geschlossen habe: An die Arbeit!

Ich schlie?e diesen Bericht, in dem ich ein letztes Stichwort aus meiner Vorstellungsrede aufgreife.

3. Universit?t jubil?umsfein machen
Meine Vorstellung hatte ich sehr stark auf das Jubil?um im Jahr 2010 ausgerichtet; deo volente auch das Jahr des Endes meiner Amtszeit. Seit reichlich sechs Wochen amtiert meine frühere pers?nliche Referentin, Frau Dr. Britta Behm, als Koordinatorin für alle Aktivit?ten in diesem Bereich; eine imponierende Liste von geplanten 三亿体育·(中国)官方网站 und Publikationen ist zusammengekommen, eine gro?e Ausstellung im Gropius-Bau in Planung, die deutlich machen soll, was die Wissenschaft für die Stadt und die Gesellschaft gegenw?rtig leistet und welche Traditionen auf diese gegenw?rtigen Leistungen geführt haben. Wir feiern dieses Jahr 2010 als Humboldt-Universit?t, aber auch gemeinsam mit der Charité und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, um so die Leistungsf?higkeit und enge Partnerschaft der Berliner Wissenschaft deutlich zu machen – Details werden in den n?chsten Wochen dem Akademischen Senat vorgestellt werden, auch in den Fakult?ten mitgeteilt werden, sind im Kuratorium schon diskutiert worden. Eine besondere Idee, die ich noch gern erw?hnen m?chte, ist, das Jubil?um zur Internationalisierung unserer Universit?t zu nutzen und in den n?chsten Semestern Partnerschaften mit den Universit?ten zu begründen, die sich auf dieser Welt besonders in der Tradition Humboldts sehen und sie hier ein Semester lang zu pr?sentieren. Darüber hinaus hat Vizepr?sident Pr?mel vielversprechende Aktivit?ten der Kooperation mit chinesischen Universit?ten eingeleitet und die neue Leiterin des Auslandsamtes, Frau Dr. Hans, wird gemeinsam mit Herrn Kollegen Nagel die Internationalisierungsstrategie der Universit?t überarbeiten.

Damit unsere Universit?t jubil?umsfein wird, müssen aber auch die Geb?ude hergerichtet werden. In den Ressorts von Herrn Kollegen Eveslage wurden dazu bereits umfangreiche Anstrengungen unternommen: Am 22. August hatten wir den Spatenstich für die geisteswissenschaftliche Universit?tsbibliothek, das Jakob und Wilhelm-Grimm-Zentrum, mit dem unsere Universit?t zum ersten Mal seit 1913 wieder eine eigene Universit?tsbibliothek, freilich h?chst modernen Zuschnitts bekommt; die Pforten soll sie schon 2009 ?ffnen. Noch vor Jahresende findet der Spatenstich für den Wiederaufbau des Ostflügels des Naturkundemuseums statt; Bau und Organisation des Museums haben – gemeinsam mit dem im Januar installierten Generaldirektor Leinfelder – besondere Aufmerksamkeit des Pr?sidiums gegolten. Für Neubauten der Sportwissenschaft und des Hochschulsportes auf dem Campus Nord wurde ein EFRE-Antrag gestellt und bewilligt; die Fertigstellung ist 2007 vorgesehen. In der n?chsten Woche er?ffnen wir die germanistischen Institute und das Nordeuropa-Institut am Hegelplatz und hoffentlich noch im Dezember die Theologische Fakult?t in der Burgstra?e. Viel bleibt noch zu tun und ich mu? eingestehen, da? insbesondere die Fundraising-Aktivit?ten für H?rs?le des Hauptgeb?udes noch sehr in den Anf?ngen stecken.

Es g?be viel mehr noch zu berichten; dies soll einem schriftlichen Bericht, dem durch die Verfassung geforderten im Januar vorbehalten sein. Eine allerletzte Bemerkung, bevor ich schlie?e. In einer von Studierenden unserer Universit?t klug gemachten Zeitung, deren Titel schon ihre journalistische Unabh?ngigkeit zum Ausdruck bringt, fand sich folgender Satz über mich: Markschies sei ?nicht nur der nette, umg?ngliche Herr, der er zu sein scheint“. Das ist treffend bemerkt. Eine Universit?t dieser Gr??e kann man angesichts der allgemeinen und spezifischen Herausforderungen, der finanziellen Engp?sse und der Anforderungen des Exzellenzwettbewerbs nicht nur mit Nettigkeiten leiten. Gelegentlich mu? streng widersprochen werden und unbarmherzig auf Qualit?t bestanden werden. Das mu? dann etwas weniger umg?nglich ausfallen, als mir das eigentlich selbst lieb ist. Aber ich nehme für mich in Anspruch, auch gerade dann im Interesse der Universit?t und in Wahrnahme meiner Verantwortung zu handeln und gehandelt zu haben. Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen hoffentlich in der vergangenen halben Stunde dokumentieren k?nnen, da? ich in den letzten neun Monaten so gehandelt habe, wie ich es mir vor einem knappen Jahr vorgestellt habe. Gemeinschaftlich zu agieren, setzt gemeinschaftliche Verst?ndigung auf Grundprinzipien voraus. Dazu müssen gelegentlich Grenzen markiert werden. Dann geht es im Team, in den Gremien, in der Universit?t um so besser gemeinsam weiter. Vielen Dank für Ihre Geduld.