Feierliche Er?ffnung der zweiten F?rderperiode des SFB 640 "Repr?sentationen sozialer Ordnungen im Wandel"
Gru?wort am 30. Oktober 2008
Gestatten Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr
Baberowski, lieber Herr Kaelble, liebe Frau Stollberg-Rilinger,
verehrter Herr Staatssekret?r, heute abend als Kollege zu Ihnen zu
sprechen, mithin noch weniger als sonst den Pr?sidenten zu geben? Also
nur ganz kurz die Sprüchlein zu sagen, die da zu sagen sind - also dem
Sprecher und allen Teilprojektleitenden, den Mitarbeitenden namens der
Universit?t zu danken, da? sie eine so stolze Drittmittelsumme in die
notorisch knappen Kassen der alma mater Berolinensis gespült haben, so
viele kluge Menschen in unsere Mauern als Doktorierende und
Mitarbeitende bringen und so weiter und so fort, etc. pp.? Denn viel
lieber m?chte ich zur Sache sprechen, angeregt durch die Begehung und
gelegentliche 三亿体育·(中国)官方网站e mit 三亿体育·(中国)官方网站 und Ver?ffentlichungen aus
der ersten F?rderperiode. Allein, ich bin Kirchenhistoriker und dies
dazu im Bereich der Antike. Es m?chte also sein, da? Sie meine Gedanken
zu Ihrem Thema für eine mehr oder wenige unpassende pr?sidiale Zumutung
eines Dilettanten halten. Wenn dem so w?re, w?re ich Ihnen verbunden,
wenn Sie mir diesen Eindruck gelegentlich weitergeben würden - dann
würde ich selbstverst?ndlich postwendend meine Gru?worte wieder in das
normale deutsche Pr?sidentenformat bringen und mich in diesem Genre um
ein paar launige Worte bemühen.
Für heute also - da Sie nicht widersprechen - noch ein paar
Dilettantenbemerkungen des Althistorikers zur Frühneuzeit, zugleich ein
Tribut an Frau Stollberg-Rilinger . Seit ich das erste Mal als Student
den gro?en Reichssaal im Regensburger Rathaus sah, in dem seit 1594 der
Reichstag, seit 1663 als immerw?hrender Reichstag, tagte, frage ich
mich, warum die Sch?bigkeit der Inneneinrichtung, die billigen B?nke
mit ihren ebenso billigen Filzüberzügen, Bierb?nken nicht un?hnlich ,
kurz: die Sch?bigkeit der Reichsrepr?sentation so wenig empfunden
wurde, da? man das ganze achtzehnte Jahrhundert nichts an eben dieser
sch?bigen Inneneinrichtung ?nderte. Und - um die Beobachtungen
auszuweiten - die Kaiser in abgewetzten Gew?ndern kr?nte, mit l?chrigen
Strümpfen und mit einer schief sitzenden und billig zusammengesteckten
Reichskrone. Der Grad, der Ehrwürdigkeit von Sch?bigkeit trennt, ist
bekanntlich schmal. ?ber die kurfürstliche Repr?sentation im Alten
Reich habe ich - wenn ich das kurz einflechten darf - ja bereits bei
einer Festivit?t des verehrten Kollegen Schilling gesprochen, so da?
ich mich heute auf dieses Feld nicht wagen mu?, sondern gleich zur
conclusio kommen darf. Ich frage, warum man offenkundig nicht einmal
den Versuch einer Modernisierung der Repr?sentation des Reiches
unternahm, wo man doch immer wieder einmal über Reichsreform
debattierte.
Zur Vorbereitung meines Gru?wortes habe ich vorgestern mit einem
klugen Frühneuzeithistoriker, der sich insbesondere mit dem Reichstag
und der Edition seiner Akten besch?ftigt, ein l?ngeres Gespr?ch auf dem
Nürnberger Flughafen geführt. Und - damit mindestens einige unter Ihnen
den Kollegen zuverl?ssig identifizieren k?nnen - jenen Schüler von
Gerhard Oestreich gefragt, ob es wirklich keine Texte von überzeugten
Reichsst?nden und Freunden des Reiches gibt, in denen diese Sch?bigkeit
der Reichsrepr?sentation behandelt wird - Sie ahnen, da? ein schneller
?berblick über einschl?gige Texte mangels einer Sammlung für den
Nichtfachmann und Dilettanten schwierig ist. Der Erlanger Kollege hat
mir best?tigt, da? Kritik an den L?cherlichkeiten der Frankfurter
Kr?nung, den Absonderlichkeiten eines Kr?nungsmahles mit abwesenden
Essern und S?ttigungsgelegenheiten in Hinterzimmern immer nur von den
Kritikern angegriffen wurde. Für die überzeugten Reichsst?nde - und
Freunde des Reiches gab es ja, wenn wir Georg Schmidt glauben wollen,
bis zum Schlu? in gr??erer Zahl als borussische Geschichtsschreiber und
ihre Erben uns glauben machen wollen - wirkte die Reichsrepr?sentation
eben offenkundig nicht sch?big, sondern nur für die notorischen
Kritiker und Sp?tter. Was aber, so frage ich Sie, liebe Mitglieder des
Sonderforschungsbereiches Repr?sentation, lernen wir denn aus diesem
Umgang mit der Sch?bigkeit der Repr?sentation? Vermutlich haben Sie
alle diese Fragen schon in der ersten F?rderperiode beantwortet, aber
es w?re nett, wenn Sie mir die einschl?gigen Publikationen zustellen
würden, damit ich bei meinem Gru?wort zu Ihrer n?chsten Verl?ngerung
nicht wieder so dumme Fragen stelle.
Schüchtern stelle ich eine zweite Frage, auf die mich der erw?hnte
Erlanger Kollege brachte. Was bedeutet es denn für Repr?sentation -
diesmal nicht des ganzen Reiches, sondern die seiner St?nde - wenn im
immerw?hrenden Reichstag Regensburger Patrizierfamilien nicht nur
unterschiedliche Reichsst?nde vertraten, von ihnen Weisungen empfingen
wie noch heute die Diplomaten Weisungen ihrer Obrigkeit empfangen,
sondern auch unterschiedliche Konfessionen, unterschiedliche politische
Optionen und so fort? Wurde so die Einheit des Reiches repr?sentiert,
hielt gar das Reich wegen solcher kreuzweiser Repr?sentation zusammen?
Fiel es trotz mancher Auseinandersetzungen nicht auseinander? Oder war
diese besondere Repr?sentation eher schon ein Zeichen des
Bedeutungsverlustes der Institution, ja des Reiches überhaupt?
Vermutlich sind Repr?sentationen mindestens doppelt kodiert, mehrfach
lesbar, vielfach interpretierbar. Aber ich befürchte, da? solche
basalen - oder sch?rfer - trivialen Bemerkungen Sie auch nur
langweilen, weil Sie alle diese Fragen l?ngst beantwortet, alle diese
Gedanken l?ngst gedacht haben. Oder sp?testens Frau Stollberg-Rilinger
dies tun wird . Langweilen willen ich Sie nicht. Also wünsche ich Ihrem
Sonderforschungsbereich in seiner zweiten F?rderungsperiode, da? er -
wenn er meine Fragen schon beantwortet hat - noch viele neue Fragen
aufwirft, mindestens einige davon beantwortet und so viel Ergebnisse
publiziert und in die ?ffentlichkeit wirft, da? auch der
vielbesch?ftigte Pr?sident nicht überh?ren und überlesen kann, was da
gedacht und erforscht wird. Dann k?nnte ich beim n?chsten Gru?wort in
vier Jahren vielleicht ein paar neue Fragen aufwerfen, wenn ich dann
überhaupt noch Pr?sident bin und dieses Amt nicht von einem anderen
ausgeübt und die Universit?t anders (um das mindeste zu sagen)
repr?sentiert wird.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t