Humboldt-Universit?t zu Berlin

Humboldt-Universit?t zu Berlin | ?ber die Universit?t | Geschichte | Rektoren und Pr?sidenten | Christoph Markschies | Reden des Pr?sidenten | Feierliche Er?ffnung der zweiten F?rderperiode des SFB 640 "Repr?sentationen sozialer Ordnungen im Wandel"

Feierliche Er?ffnung der zweiten F?rderperiode des SFB 640 "Repr?sentationen sozialer Ordnungen im Wandel"

Gru?wort am 30. Oktober 2008

Gestatten Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Baberowski, lieber Herr Kaelble, liebe Frau Stollberg-Rilinger, verehrter Herr Staatssekret?r, heute abend als Kollege zu Ihnen zu sprechen, mithin noch weniger als sonst den Pr?sidenten zu geben? Also nur ganz kurz die Sprüchlein zu sagen, die da zu sagen sind - also dem Sprecher und allen Teilprojektleitenden, den Mitarbeitenden namens der Universit?t zu danken, da? sie eine so stolze Drittmittelsumme in die notorisch knappen Kassen der alma mater Berolinensis gespült haben, so viele kluge Menschen in unsere Mauern als Doktorierende und Mitarbeitende bringen und so weiter und so fort, etc. pp.? Denn viel lieber m?chte ich zur Sache sprechen, angeregt durch die Begehung und gelegentliche 三亿体育·(中国)官方网站e mit 三亿体育·(中国)官方网站 und Ver?ffentlichungen aus der ersten F?rderperiode. Allein, ich bin Kirchenhistoriker und dies dazu im Bereich der Antike. Es m?chte also sein, da? Sie meine Gedanken zu Ihrem Thema für eine mehr oder wenige unpassende pr?sidiale Zumutung eines Dilettanten halten. Wenn dem so w?re, w?re ich Ihnen verbunden, wenn Sie mir diesen Eindruck gelegentlich weitergeben würden - dann würde ich selbstverst?ndlich postwendend meine Gru?worte wieder in das normale deutsche Pr?sidentenformat bringen und mich in diesem Genre um ein paar launige Worte bemühen.

Für heute also - da Sie nicht widersprechen - noch ein paar Dilettantenbemerkungen des Althistorikers zur Frühneuzeit, zugleich ein Tribut an Frau Stollberg-Rilinger . Seit ich das erste Mal als Student den gro?en Reichssaal im Regensburger Rathaus sah, in dem seit 1594 der Reichstag, seit 1663 als immerw?hrender Reichstag, tagte, frage ich mich, warum die Sch?bigkeit der Inneneinrichtung, die billigen B?nke mit ihren ebenso billigen Filzüberzügen, Bierb?nken nicht un?hnlich , kurz: die Sch?bigkeit der Reichsrepr?sentation so wenig empfunden wurde, da? man das ganze achtzehnte Jahrhundert nichts an eben dieser sch?bigen Inneneinrichtung ?nderte. Und - um die Beobachtungen auszuweiten - die Kaiser in abgewetzten Gew?ndern kr?nte, mit l?chrigen Strümpfen und mit einer schief sitzenden und billig zusammengesteckten Reichskrone. Der Grad, der Ehrwürdigkeit von Sch?bigkeit trennt, ist bekanntlich schmal. ?ber die kurfürstliche Repr?sentation im Alten Reich habe ich - wenn ich das kurz einflechten darf - ja bereits bei einer Festivit?t des verehrten Kollegen Schilling gesprochen, so da? ich mich heute auf dieses Feld nicht wagen mu?, sondern gleich zur conclusio kommen darf. Ich frage, warum man offenkundig nicht einmal den Versuch einer Modernisierung der Repr?sentation des Reiches unternahm, wo man doch immer wieder einmal über Reichsreform debattierte.

Zur Vorbereitung meines Gru?wortes habe ich vorgestern mit einem klugen Frühneuzeithistoriker, der sich insbesondere mit dem Reichstag und der Edition seiner Akten besch?ftigt, ein l?ngeres Gespr?ch auf dem Nürnberger Flughafen geführt. Und - damit mindestens einige unter Ihnen den Kollegen zuverl?ssig identifizieren k?nnen - jenen Schüler von Gerhard Oestreich gefragt, ob es wirklich keine Texte von überzeugten Reichsst?nden und Freunden des Reiches gibt, in denen diese Sch?bigkeit der Reichsrepr?sentation behandelt wird - Sie ahnen, da? ein schneller ?berblick über einschl?gige Texte mangels einer Sammlung für den Nichtfachmann und Dilettanten schwierig ist. Der Erlanger Kollege hat mir best?tigt, da? Kritik an den L?cherlichkeiten der Frankfurter Kr?nung, den Absonderlichkeiten eines Kr?nungsmahles mit abwesenden Essern und S?ttigungsgelegenheiten in Hinterzimmern immer nur von den Kritikern angegriffen wurde. Für die überzeugten Reichsst?nde - und Freunde des Reiches gab es ja, wenn wir Georg Schmidt glauben wollen, bis zum Schlu? in gr??erer Zahl als borussische Geschichtsschreiber und ihre Erben uns glauben machen wollen - wirkte die Reichsrepr?sentation eben offenkundig nicht sch?big, sondern nur für die notorischen Kritiker und Sp?tter. Was aber, so frage ich Sie, liebe Mitglieder des Sonderforschungsbereiches Repr?sentation, lernen wir denn aus diesem Umgang mit der Sch?bigkeit der Repr?sentation? Vermutlich haben Sie alle diese Fragen schon in der ersten F?rderperiode beantwortet, aber es w?re nett, wenn Sie mir die einschl?gigen Publikationen zustellen würden, damit ich bei meinem Gru?wort zu Ihrer n?chsten Verl?ngerung nicht wieder so dumme Fragen stelle.

Schüchtern stelle ich eine zweite Frage, auf die mich der erw?hnte Erlanger Kollege brachte. Was bedeutet es denn für Repr?sentation - diesmal nicht des ganzen Reiches, sondern die seiner St?nde - wenn im immerw?hrenden Reichstag Regensburger Patrizierfamilien nicht nur unterschiedliche Reichsst?nde vertraten, von ihnen Weisungen empfingen wie noch heute die Diplomaten Weisungen ihrer Obrigkeit empfangen, sondern auch unterschiedliche Konfessionen, unterschiedliche politische Optionen und so fort? Wurde so die Einheit des Reiches repr?sentiert, hielt gar das Reich wegen solcher kreuzweiser Repr?sentation zusammen? Fiel es trotz mancher Auseinandersetzungen nicht auseinander? Oder war diese besondere Repr?sentation eher schon ein Zeichen des Bedeutungsverlustes der Institution, ja des Reiches überhaupt? Vermutlich sind Repr?sentationen mindestens doppelt kodiert, mehrfach lesbar, vielfach interpretierbar. Aber ich befürchte, da? solche basalen - oder sch?rfer - trivialen Bemerkungen Sie auch nur langweilen, weil Sie alle diese Fragen l?ngst beantwortet, alle diese Gedanken l?ngst gedacht haben. Oder sp?testens Frau Stollberg-Rilinger dies tun wird . Langweilen willen ich Sie nicht. Also wünsche ich Ihrem Sonderforschungsbereich in seiner zweiten F?rderungsperiode, da? er - wenn er meine Fragen schon beantwortet hat - noch viele neue Fragen aufwirft, mindestens einige davon beantwortet und so viel Ergebnisse publiziert und in die ?ffentlichkeit wirft, da? auch der vielbesch?ftigte Pr?sident nicht überh?ren und überlesen kann, was da gedacht und erforscht wird. Dann k?nnte ich beim n?chsten Gru?wort in vier Jahren vielleicht ein paar neue Fragen aufwerfen, wenn ich dann überhaupt noch Pr?sident bin und dieses Amt nicht von einem anderen ausgeübt und die Universit?t anders (um das mindeste zu sagen) repr?sentiert wird.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t