Begrü?ung des Amerikanischen Freundeskreises der Hebr?ischen Universit?t
Gru?wort vom 30. Mai 2008
Verehrte liebe Freunde der Hebr?ischen Universit?t, verehrter Shlomo
Avineri,
wenn Sie die Welt kennenlernen wollen, aus der die Gründer der Hebr?ischen Universit?t in Jerusalem stammten, dann darf natürlich die Humboldt-Universit?t zu Berlin nicht fehlen. Man konnte zwar in den zwanziger Jahren beide Universit?ten noch nicht als HU abkürzen und das hübsche Wortspiel HU meets HU machen, mit dem wir einen gemeinsamen Studientag beider Universit?ten im Oktober diesen Jahres betiteln, aber natürlich gibt es enge Verbindungslinien zwischen der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universit?t, der preu?ischen Staatsuniversit?t in der Mitte der Hauptstadt des Landes, und der Neugründung auf dem Skopusberg in Jerusalem. Für das zwanzigste Jahrhundert ist eher sehr Trauriges zu berichten, im einundzwanzigsten versuchen wir, neue Verbindungslinien zu knüpfen; ich selbst habe enge Verbindungen zur Hebr?ischen Universit?t, zweimal am Institute for Advanced Study in Givat Ram gewirkt und mich jetzt im M?rz wieder mit vielen Kollegen der HU getroffen, um wissenschaftliche Kooperationen zu verabreden.
Doch zun?chst zu jener Vergangenheit, von der man als Pr?sident der Humboldt-Universit?t immer nur mit Stolz und Scham zugleich reden kann: In den zwanziger Jahren lag das gro?e hundertj?hrige Universit?tsjubil?um gerade hinter der Universit?t. Man hatte es im Jahre 1910 gefeiert, noch im kaiserlichen Glanz, eine monumentale Universit?tsgeschichte war erschienen und diverse Festschriften, beispielsweise auch eine, die die benachbarte k?nigliche Bibliothek der Universit?t gewidmet hatte. Die Universit?t hatte ein neues Auditorium Maximum am Opernplatz in Gebrauch genommen und feierte mit allem akademischen Prunk dieser Zeit. Allerdings hatte der Kaiser zum Jubil?um der Universit?t auch eine neue Form au?eruniversit?rer Forschungsinstitute gestiftet, die in der heute Max-Planck-Gesellschaft genannten Einrichtung zusammengefa?t sind, weil schon damals die Industrie im Zweifel war, ob an den klassischen Universit?ten und Akademien naturwissenschaftliche Forschung auf Weltniveau m?glich gemacht werden k?nne. Am Ende des Kaiserreiches stand die Berliner Universit?t als das gro?e erfolgreiche Exportmodell einer neuzeitlichen Reformuniversit?t da, man hatte einschl?gige Parolen wie die von der ?Einheit von Lehre und Forschung“ gepr?gt und freute sich darüber, da? von Oslo bis Johns Hopkins alle diesem Modell und den Parolen folgten, die etwas auf sich hielten. Jüdische Wissenschaftler, das will ich eigens vermerken, waren, wenn sie nicht zum Christentum konvertiert waren, gar nicht an der Friedrich-Wilhelms-Universit?t t?tig, sondern an der institutionell separierten ?三亿体育·(中国)官方网站 für die Wissenschaft des Judentums“ oder an der ?Handelshochschule“ des Vereins der Berliner Kaufleute. Und vor dem Universit?tsgeb?ude stand nicht nur das Denkmal des gro?en Historikers Mommsen, der den Antisemitismus wie alle totalit?ren Ideologien scharf gei?elte, sondern auch das Denkmal des Historikers Heinrich Treitschke, auf den der schreckliche Satz ?Die Juden sind unser Unglück“ zurückgeht – nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal Treitschkes eingeschmolzen und nun triumphiert mit Mommsen auch Mommsens Position.
1918 verfiel die Universit?t, die seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts stets Seite an Seite mit den preu?ischen Monarchen aus dem Hause Hohenzollern marschiert war, zun?chst in eine tiefe Depression. Die Neuorientierung auf die Republik gelang nur in einzelnen Bereichen, obwohl die Voraussetzungen eigentlich günstig waren. Wenn man von der Friedrich-Wilhelms-Universit?t in der Weimarer Republik reden will, mu? man zuerst den Namen von Carl Heinrich Becker nennen, seit 1916 Orientalist an der Universit?t, Verfasser vieler Arbeiten beispielsweise zur Geschichte ?gyptens unter dem Islam. Von April 1919 bis 1930 wirkte Becker in verschiedenen ?mtern der preu?ischen Kultusverwaltung, darunter ab 1925 als Minister. Ihm ging es um die Demokratisierung der deutschen 三亿体育·(中国)官方网站n, insbesondere der Berliner Universit?t, deren Professoren als ?Paradetruppe der Hohenzollern“ auch nach deren Sturz 1918 in der Mehrheit tief kaisertreu und republikfeindlich eingestellt blieben. Kernpunkt aller akademischen Reform“ war nach Beckers Ansicht eine umfassende Demokratisierung der Hochschulverfassung und die Abschaffung der klassischen Ordinarienuniversit?t, insbesondere durch die weitgehende Gleichstellung der Extraordinarien und Privatdozenten mit den bisher allein bestimmenden Ordinarien sowie durch eine ma?volle Beteiligung der Studierenden an der Hochschulselbstverwaltung. Letzteres sah er auch als wichtigen Schritt zur Heranbildung verantwortungsbewu?ter Staatsbürger an und schuf daher die rechtlichen Grundlagen der heutigen studentischen Selbstverwaltung. Neben der organisatorischen Reform bemühte sich Becker auch um eine p?dagogische Reform der Universit?ten, die sich seiner Ansicht nach nicht nur als ?Forscher-“ und ?Berufsschulen“, sondern auch als ?Staatsbürgerschulen“ begreifen sollten. Insbesondere suchte er die schon damals beklagte disziplin?re Spezialisierung durch eine St?rkung der ?Synthesewissenschaften“ Soziologie, Zeitgeschichte, Politikwissenschaft einschlie?lich der von ihm gef?rderten Auslandsstudien zu kompensieren und zeigte sich auch Ideen zu einem ?humanistischen“ Grundstudium für alle Studierenden gegenüber aufgeschlossen. An Becker erinnert heute in Berlin eine ?Carl-Heinrich-Becker-Lecture“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die im Rahmen des Projektes ?Europa im Nahen Osten – der Nahe Osten in Europa“ gehalten wird, bei dem die Geschichte und Gegenwart unseres Bildes vom Nahen Osten und von dessen Europa-Bild erforscht wird – übrigens mit der Israelischen Akademie der Wissenschaften und vielen Kollegen aus dem Land.
Ein tief mit der Hebr?ischen Universit?t verbundener Gelehrter hat bis 1933 hier in Berlin an der heutigen Humboldt-Universit?t gelehrt – und an ihn will ich stellvertretend kurz erinnern. Sie ahnen: Ich meine natürlich Albert Einstein, obwohl ich natürlich auch über die Berliner Studienjahre von Samuel Hugo Bergmann sprechen k?nnte, über Martin Buber, der hier bei Georg Simmel studierte und überhaupt über die Berliner Vorgeschichte von diversen Professoren der neuen Universit?t auf dem Skopusberge – Gerhard alias Gerschom Scholem w?re ein feiner Gegenstand für einen zweiten Dinner Talk. Albert Einstein hatte hier, durch Max Planck vermittelt, eine Forschungsprofessur an der Akademie und hielt an der Friedrich-Wilhelms-Universit?t nur eine gro?e Vorlesung. Die war stets überfüllt, weil natürlich sehr viele Berliner – und, es sei ehrlich gesagt – viele Berlinerinnen Einstein sehen wollten. Ich habe selbst von ehemaligen Studenten mehrfach schon die Anekdote geh?rt, da? Einstein etwa zehn Minuten dieser Vorlesung allgemeinverst?ndlich sprach, dann aber sagte: ?Nun haben sich mich genug bewundert“ und in h?chst komplexe physikalische Deduktionen verfiel, worauf neun Zehntel des Auditoriums den Raum verlie?en. Einstein hat Deutschland rechtzeitig verlassen, wurde von der Preu?ischen Akademie ausgeschlossen wie übrigens auch jüdische Mitbürger, die politisch im Unterschied zu ihm ?u?erst konservativ eingestellt waren, ich nenne den Namen von Fritz Haber. Die Universit?t lieferte sich den neuen Machthabern aus und hat in den Jahren nach 1933 schwere Schuld auf sich geladen: Die Bücherverbrennung im Mai 1934 folgte auf die Antrittsvorlesung eines Professors für politische P?dagogik, der in den zwanziger Jahren noch bei der Habilitation durchgefallen war und nun von den Nationalsozialisten installiert wurde (übrigens das Dienstzimmer Carl Heinrich Beckers bezog). Mitglieder der Universit?t waren direkt oder indirekt bei der Vorbereitung des Holocaust beteiligt und diese Verwicklung der ganzen Universit?t durfte bis 1989 kaum thematisiert werden. Uns heutige Angeh?rige der Humboldt-Universit?t erfüllen diese Vorg?nge mit Scham und Abscheu, wir wollen sie nie vergessen und Lehren für Gegenwart und Zukunft daraus ziehen.
Heute ist die Humboldt-Universit?t aufgrund ihrer guten, aber auch ihrer fürchterlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit besser als viele andere deutsche Universit?ten geeignet, die ursprünglichen Ideale der Brüder Humboldt in die Gegenwart zu übertragen, eine moderne Reformuniversit?t zu sein, die trotzdem die alten Ideen der Freiheit und Selbstbestimmung, der Kombination von Berufsausbildung und freier Forschung, der wechselseitigen Verbundenheit von Forschung und Lehre ernst nimmt. Wir geh?ren zu den zehn besten deutschen Universit?ten, wie nahe wir dem ersten Platz sind, ist naturgem?? Ansichtssache und ich sage nur, da? wir unsere Aufholjagd, die wir nach der deutschen Wiedervereinigung begonnen haben, mit aller Energie fortsetzen. Die Physik, die Neurowissenschaften, die Erforschung der Antike – das sind drei unserer Schwerpunkte, die uns – wie Sie ahnen – ganz eng mit Jerusalem, ganz eng mit Givat Ram und dem Skopusberg verbinden. Ich hoffe, da? unser heutiger Abend auch unter die ?berschrift HU meets HU gestellt werden kann, die American Friends der HU treffen den Pr?sidenten der HU, nicht Herrn Kollegen Magidor, sondern Herrn Markschies, dem es eine Freude ist, unter ihnen zu sein und der hofft, da? viele lebendige 三亿体育·(中国)官方网站e zwischen Amerika, Berlin und Jerusalem aus dem heutigen Abend erwachsen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t