Vortrag von Richard von Weizs?cker im Rahmen der Humboldt-Reden zu Europa
Begrü?ung am 1. November 2006
Sehr verehrter Herr Altbundespr?sident, lieber Herr von Weizs?cker,
die klassische Form pr?sidialer Begrü?ung kommt für Sie nicht in Frage: Die üblichen bemühten Worte, den Referenten vorzustellen, h?ufig aus zusammen gelesenen Elementen der im Internet vorgehaltenen curricula vitae zusammengestellt, sind heute nachmittag überflüssig; so werden beispielsweise die gro?en Reden, die Sie ja keineswegs erst 1984 zu halten begonnen haben, an den Seminaren dieser Universit?t analysiert, hoffentlich übrigens bald auch an einem Stiftungslehrstuhl für Rhetorik, den wir einrichten m?chten. Sie mit den üblichen Elementen einer Biographie vorzustellen, ist aber auch deswegen vollkommen überflüssig, weil Sie unser aller Freude ja seit September als Kurator dieser Universit?t wirken und als solcher der universit?ren ?ffentlichkeit auch schon ausführlicher vorgestellt worden sind. Da ich im Unterschied zu Ihnen von der Ausbildung her kein Jurist bin, habe ich – um die Position eines Kurators n?her zu charakterisieren – nicht den Text unserer Universit?tsverfassung analysiert, sondern als Kirchenhistoriker schlicht ein Lateinw?rterbuch bemüht: ?Fürsorger“ nennt mein gro?es W?rterbuch als erste Bedeutung und das erinnert an eine Position im deutschen System der Sozialfürsorge und provoziert die Frage, ob die deutsche Universit?t schon so in die Unterschicht des internationalen Systems der 三亿体育·(中国)官方网站n geraten ist, da? sie Fürsorger braucht. ?Besorger“ ist die zweite Bedeutung: ?Fundraiser“ nennt man das jetzt wohl in einem Englisch, das man allerdings w?hrend Ihres Studiums in den drei?iger Jahren in Oxford sicher nicht gesprochen hat. ?W?rter“ als dritte Bedeutung verwundert noch mehr, denn es erinnert an unselige Zeiten, an denen die deutsche Universit?t mehr einem Zoologischen Garten als einer Bildungseinrichtung ge?hnelt hat – und freundliche, geduldige W?rter für die tierischen Ausbrüche von Gewalt und Ideologie eher gefehlt haben, wollen hoffen, da? diese Zeiten vorbei sind. Mit Freude liest der Pr?sident der Universit?t schlie?lich die letzten drei Bedeutungen des Wortescurator in seinem Lexikon – Vorsteher, Leiter, Vertreter; aber ich bin nicht so naiv anzunehmen, lieber Herr von Weizs?cker, da? ich Ihnen die Leitung dieser Universit?t einmal vertretungsweise abtreten kann, wenn sie mir zu beschwerlich f?llt: Ihr Vorg?nger im Amt des Kurators hat sie auf die limitierten Amtspflichten in dieser Verantwortung hingewiesen, unter diesen Voraussetzungen sind sie angetreten und es w?re nicht Recht, einen so kundigen Museumsfachmann und Kulturpolitiker wie Klaus-Dieter Lehmann Lügen zu strafen.
Nun hat der Nichtjurist und Philologe l?nger darüber raisoniert, was ein Kurator nicht zu tun hat, worin mithin seinecuratio nicht bestehen kann. Scheinbar hat er sich damit zwar nicht vom Referenten, aber von dessen Thema Europa sehr weit entfernt. Aber, liebe Damen und Herren, lieber Herr von Weizs?cker, hat er das wirklich? Curatio bedeutet: Heilung, Operation, Wartung, Herrichtung, auch leitende Verwaltungst?tigkeit. Und hat Europa das nicht alles h?chst notwendig? Heilung des stockenden Verfassungsprozesses, eventuell durch Operationen am Text des Konventes, Wartung seiner Institutionen und des Europabewu?tseins in den Mitgliedsstaaten, Herrichtung eines einheitlichen Parlamentssitzes und so weiter und so fort? Hat Europa das nicht alles notwendig? Antworten werden Sie nicht von einem Kirchenhistoriker der Antike erwarten und daher auch nicht h?ren, Antworten dürfen wir aber vom Referenten erwarten und freuen uns daher auf Ihren Vortrag, lieber Herr von Weizs?cker.