Humboldt-Universit?t zu Berlin

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Vortrag von Valery Giscard d'Estaing im Rahmen der Humboldt-Reden zu Europa

Gru?wort am 9. November 2006

Verehrter Herr Pr?sident,
Herr Botschafter,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
liebe Studierende, meine Damen und Herren,

wenn gro?e Ereignisse bevorstehen – und, verehrter Herr Pr?sident, Ihre Rede ist ein solches gro?es Ereignis im Leben einer Universit?t –, darf der bewegte Pr?sident einer Universit?t auch ein wenig pers?nlich werden. Das erste Mal habe ich Sie als Schüler im Jahre 1978 gesehen. Da durchschritten Sie das Hauptportal der neuen Staatsbibliothek Preu?ischer Kulturbesitz, die nach Entwurf von Hans Scharoun hart an der Mauer und am Niemandsland des Potsdamer Platzes errichtet worden war. Und er?ffneten den wunderbaren Büchertempel mit seinem goldenen Magazinsockel, auf den alle lesenden Menschen dieser Stadt so dringend gewartet hatten – waren doch die Bücher der traditionsreichen Bibliothek, aus der Verlagerung an den einstigen Ort zurückgekehrt, doch zuvor in einer Traglufthalle untergebracht und nach einem Sturm für Tage schutzlos der Witterung preisgegeben, als die Halle zusammengebrochen war. Sie durchschritten, begleitet vom Bundeskanzler und Bundespr?sidenten, das Hauptportal – und dokumentierten so, da? die einstige Hofbibliothek der preu?ischen K?nige nun endlich in Europa angekommen war, das europaweite Universum der Lesenden der Herstellung staatlicher Einheit sowohl in Deutschland wie in Europa doch über ein Jahrzehnt voraus war.

Der letzte Redner in dieser Reihe, unser früherer Bundespr?sident und Kurator Richard von Weizs?cker, hat vor einer knappen Woche im Privatgespr?ch berichtet, welche diplomatischen Verwicklungen die schlichte ?ffnung einer Nationalbibliothek ausl?ste und ohne da? ich nun das Privatgespr?ch zwischen Pr?sident und Kurator in allen Einzelheiten ausbreite – zwischen dem Jahr 1978 und dem Jahre 2006 liegen Welten, wie ein schlichter Blick auf Scharouns Staatsbibliothek zeigt, die nunmehr im Zentrum der Stadt liegt und alle ihre Beschaulichkeit verloren hat.

Warum erz?hle ich diese Geschichte aus grauer Vorzeit? Sie scheint mir charakteristisch, verehrter Herr Pr?sident, für die Art, in der sie als Politiker agiert haben. Stets ein homme de lettres, haben Sie ihre Visionen künftiger staatlicher Gestalt Europas nie nur auf juristischer Grundlage entfaltet – der Verfassungsvertrag enth?lt, wenn ich recht wei?, auf ihre direkte Intervention ein Zitat des griechischen Historikers Thukydides und ein Historiker des antiken Christentums kann Ihnen natürlich nur nachhaltig darin zustimmen: eine gemeinsame Seele, eine gemeinsame Identit?t wird Europa nur dann finden, wenn es seine gemeinsamen Wurzeln in Antike und Mittelalter entdeckt, wenn beispielsweise Deutsche und Franzosen sich klarmachen, wie europ?isch schon das Mittelalter war.

Die Staatsbibliothek, die sie vor Zeiten er?ffneten, enth?lt bewegende Dokumente deutsch-franz?sischer Freundschaft, beispielsweise aus dem achtzehnten Jahrhundert, als alle klugen Menschen statt des barbarischen deutschen Idioms franz?sisch sprachen, aber auch erschütternde Dokumente von Ha? und Streit. Da? Sie hier sprechen und einst den Büchertempel er?ffneten, ist ein kleines Zeichen ihres gro?en europ?ischen Engagements, zugleich aber auch eine bewegende Aufforderung, da? wir alle gemeinsam die Regale dieser Bibliothek, unserer im Bau befindlichen Universit?tsbibliothek und überhaupt jeder Bibliothek nun nur noch mit Büchern der Freundschaft, mit Büchern voller guter europ?ischer Gedanken füllen werden. Viele solche Bücher k?nnten mit Ihren Reden, Herr Pr?sident, gefüllt werden. Und heute kommt eine weitere Rede dazu, auf die wir uns sehr freuen, weil sie uns – wie damals am Potsdamer Platz –, wieder eine Tür ?ffnen wird. Die Humboldt-Universit?t dankt Ihnen und ist stolz, da? Sie uns die Ehre erweisen.

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