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Wer sollte nicht an der Universit?t sprechen?

An 三亿体育·(中国)官方网站n führt die Ein- oder Ausladung politisch exponierter Sprecher*innen oft zu Kontroversen. Die Entscheidung, wer sprechen darf und wer nicht, sollte sich an den Aufgaben der Universit?t orientieren.



Alternativtext

Romy Jaster und Geert Keil

An der Universit?t entzünden sich Kontroversen über Wissenschaftsfreiheit h?ufig an der Ein- oder Ausladung politisch exponierter Sprecher*innen. Zun?chst ist wichtig, die unterschiedlichen Rollen der Akteur*innen im Auge zu behalten: ?ber die Einladung zu einer wissenschaftlichen Veranstaltung entscheiden die einladenden Wissenschaftler*innen im Rahmen ihrer eigenen Forschungs- und Lehrfreiheit. Hochschulleitungen müssen nicht gefragt werden und auch keine Erlaubnis geben. Ministerien haben keine Weisungen zur Besetzung von 三亿体育·(中国)官方网站 zu erteilen. In F?llen, in denen massive St?rungen drohen, kann allerdings eine Umplanung einer Veranstaltung erforderlich sein, um ihren sicheren Ablauf zu gew?hrleisten. An dieser Stelle kommen Hochschulleitungen ins Spiel. Dabei versteht sich, dass Sicherheitsbedenken nicht blo? vorgeschoben sein dürfen.

Politische und zivilgesellschaftliche Akteur*innen dürfen Einladungen kritisieren, auch in scharfer Form. Es ist kein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, beispielsweise die Meinung kundzutun ?Es ist unertr?glich, dass hier einer Antisemitin eine Bühne geboten wird?. Forderungen nach Ausladung sind ihrerseits kritisierbar und müssen sich gefallen lassen, auf ihre politische Motivation hin befragt zu werden. Nach einem berühmten Argument des Philosophen John Stuart Mill sind Dissens und Meinungsvielfalt grunds?tzlich erkenntnisbef?rdernd. Schon deshalb bedarf es besonders starker Argumente, anderen den ?ffentlichen Raum zu bestreiten, den man für sich selbst in Anspruch nimmt.

Aus der Perspektive von Wissenschaftler*innen, die eine Veranstaltung planen, stellt sich das Problem nicht als rechtliches dar: Sie wissen schon, dass sie einladen dürfen, wen sie für geeignet halten. Sie fragen sich, wen sie (nicht) einladen sollten und von welchen ?berlegungen sie sich dabei leiten lassen sollten. Nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, ist auch gute wissenschaftliche Praxis.

Aus unserer Sicht ergibt sich der entscheidende Gesichtspunkt aus der Aufgabe der Universit?t: An Universit?ten wird Wissenschaft betrieben, also methodisch kontrollierte, ergebnisoffene, fehlbare Erkenntnissuche. Dieses Gesch?ft erfordert bestimmte Tugenden und wird durch bestimmte Laster beeintr?chtigt. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um moralische, sondern um epistemische Tugenden und Laster. Bestimmte Einstellungen, Haltungen und Verhaltensweisen sind der ergebnisoffenen Erkenntnissuche zutr?glich, andere sind ihr abtr?glich. Untersucht wird das in der Tugenderkenntnistheorie (virtue epistemology).

Beispiele: Personen, die vorgebrachte Belege ignorieren, sich Nachfragen beharrlich entziehen, anderen das Wort im Mund umdrehen, in Bedr?ngnis das Thema wechseln oder ihre eigenen Auffassungen gegen Kritik zu immunisieren suchen, zeigen damit, dass sie keine kl?rungs- oder erkenntnisorientierte Debatte führen wollen. Man kann diese Verhaltensweisen und Untugenden unter dem Begriff der intellektuellen Unredlichkeit zusammenfassen. Wo auch immer sie ihren Platz haben: Der ergebnisoffenen Erkenntnissuche sind sie abtr?glich.

Für eine Einladung an die Universit?t disqualifiziert man sich aus unserer Sicht nicht durch bestimmte inhaltliche Positionen, auch nicht durch eine tats?chliche oder vermutete Unzumutbarkeit für Zuh?rende. Die Universit?t schützt weder Rechtgl?ubigkeit noch moralische Rechtschaffenheit, sondern ihre eigene DNA: dasjenige Mindestma? an intellektueller Redlichkeit, das für die wissenschaftliche Erkenntnissuche unerl?sslich ist. Wer diese Suche durch sein epistemisches und diskursives Verhalten sabotiert, nimmt sich gleichsam selbst aus dem Spiel.

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Weiterführende Literatur

Romy Jaster und Geert Keil forschen und lehren am Institut für Philosophie der Humboldt-Universit?t.

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